die Stiftung
Die „Alfred Kerr Stiftung“ ist eine auf Initiative der Kinder Alfred Kerrs, Judith und Michael Kerr, gegründete Institution, die mit dem Alfred-Kerr-Darstellerpreis alljährlich den/die hoffnungsvollste/n Nachwuchs-Schauspieler/in fördert, der/die am Berliner Theatertreffen teilgenommen hat. Die Stiftung benennt jeweils für ein Jahr den/die Allein-Juror/in.
Der Sitz der gemeinnützigen Stiftung ist in Berlin.
Geschichte und Geschichten bestimmen die Stiftung eines Preises, der seine Wurzeln tief im vergangenen Jahrhundert hat und heute, in der Gegenwart, weit in die Zukunft weist. Am 7. Oktober 1990 machte Judith Kerr, die Tochter des legendären Theaterkritikers Alfred Kerr, ihre Kindheit in Berlin zum Thema einer Rede in der Reihe „Berliner Lektionen“. Es war ein anrührender Sonntagvormittag. Judith erzählte bescheiden von sich und ihrem zwei Jahre älteren Bruder Michael, von Mutter Julia und Vater Alfred. Und sie berichtete, wie sich die Familie am 15. Februar 1933 durch Flucht nach Zürich vor den Nazis rettete.
Dass im Anschluss an diese Rede die Idee geboren wurde, als Hommage für Alfred Kerr einen Preis für junge Schauspieler zu stiften, ist Zeugnis ungewöhnlicher Großherzigkeit. Jahrzehnte hat der Meister der Kritik das Theaterleben in Berlin mit einzigartigem schöpferischem Elan begleitet, bestimmt, ja mitgeschaffen – bis ihn die Nazis zur Emigration zwangen.
Trotz dieser bösen Erfahrungen mit Deutschland und den Deutschen war der Besuch der Kinder Judith und Michael Kerr im neuen Berlin nach dem Ende der Nazi-Barbarei nicht von Hass geprägt. Ganz im Gegenteil. Sie wollten Alfred Kerr wieder heimisch machen in der Stadt, bewahren und zurückbringen, was er die für die geistige, die künstlerische Ausstrahlungskraft der Stadt geleistet hatte.
Damit stehen Judith und Michael Kerr nicht allein. Heinz Berggruen schenkte Berlin seine einzigartige Gemäldesammlung, Helmut Newton hat verfügt, dass seine bewunderten Fotografien in der deutschen Hauptstadt ihre endgültige Heimat finden. Diese großen Persönlichkeiten, einst aus Deutschland vertrieben, geben damit der Hoffnung Ausdruck, dass Berlin zu einem wirklichen Mittelpunkt des kulturellen Geschehens in der Welt werden kann. Sie haben Vertrauen, und das bedeutet eine hohe Verpflichtung für die Beschenkten.
Der Alfred-Kerr-Darstellerpreis Preis ist jährlich mit 5.000 EUR dotiert.
Die Finanzierung des Preises erfolgte aus den Tantiemen der von Günther Rühle betreu- ten, vorbildlich kommentierten Edition der Briefe und Theaterkritiken von Alfred Kerr. Engagierte Partner waren von 1991 bis 1994 der Intendant der Berliner Festspiele Ulrich Eckhardt sowie Lothar C. Poll und die Pressestiftung Tagesspiegel. Nach mehrjähriger Pause, bedingt durch Eigentümer- und Verlagswechsel, gelang es, den Preis durch die Gründung der Alfred-Kerr-Stiftung unter Vorsitz von Torsten Maß wieder zu beleben.
Das aber war nur möglich durch die beispielhafte Großzügigkeit von Judith Kerr, die seitdem gemeinsam mit ihrem Bruder Michael für die materielle Seite des Preises Sorge trägt. Wie Alfred Kerr, der mit sicherem Gespür Begabungen entdeckte, ist es nun an den jeweils für ein Jahr eingesetzten Juroren, junge Schauspieler und Schauspielerinnen aus dem Ensemble der zum Theatertreffen nach Berlin eingeladenen Aufführungen zu finden, die eine Hoffnung für das Theater sind. In schöner Weise ist Alfred Kerr damit wieder mitten ins Theaterleben der deutschsprachigen Bühnen zurückgekehrt.
Dem Namensgeber des Preises, Alfred Kerr, fühlen sich die jeweils für ein Jahr berufenen Juroren eng verbunden. Wenn man die von ihnen getroffenen Entscheidungen überdenkt, könnte man meinen, sie hätten prophetische Gaben, verfügten über einen siebenten Sinn. Dabei ist es viel unspektakulärer. Die Juroren sind erfahrene, herausragende Künstler – und denen entgehen Talente nicht. Diese Juroren haben ihr Leben dem Theater gewidmet, sie sind Beispiel und Ansporn für den Nachwuchs, sie geben weiter, was ihnen die mit leidenschaftlichem Einsatz errungenen Erfolge auf dem und für das Theater ermöglicht hat.
Und so gelingt es ihnen jedes Jahr aufs neue, junge Schauspielerinnen und Schauspieler für den Alfred-Kerr-Preis zu finden, die den frischen Ruhm des Anfangs in den Jahren nach der Auszeichnung staunenswert und beglückend bestätigt und vermehrt haben. Nicht nur auf der Theaterbühne, sondern auch in Film und Fernsehen und als einfühlsame Interpreten auf vielen Gebieten, ja auch als Schreibende gingen und gehen sie ihren Weg. So stehen die Preisträger als Beste der Guten vieler Berliner Theatertreffen für eine Generation, die sich schöpferische Unruhe bewahrt hat.
Deborah Judith Vietor-Englaender
Vorsitzende / Präsidentin des Stiftungsrats seit Mai 2017
Dr. Deborah Judith Vietor-Engländer ist in London geboren und aufgewachsen;
B.A. am University College London; Promotion an der Universität Tübingen bei Walter Jens über Faust in der DDR (Buchpublikation 1986);
1972 – 1992 Planstelle an der Fachrichtung 8.6 der Universität des Saarlandes;
1992 – 2008 Planstelle an der Technischen Universität Darmstadt;
Veröffentlichungen zum 18. Jh., zu Goethe, zur Übersetzungsproblematik von Exilromanen, zu Yiddish in English, Elsa Bernstein, Hans Fallada, Rainer Werner Fassbinder, Gerhart Hauptmann, Rudolf Kommer,
zur Kinder- und Jugendliteratur, zur Exilthematik (u.a. über Elisabeth Castonier, Lion Feuchtwanger, Anna Gmeyner, Oskar Maria Graf, Eva Ibbotson, Alfred Kerr, Heinrich Mann, Ruth Rewald, Adam Scharrer, Hermynia Zur Mühlen, Arnold Zweig und zu Kinderbüchern im Exil), zur Vermittlung der Shoah – Thematik in Film und Theater, zu KZ – Tagebüchern;
Herausgeberin von „The Legacy of Exile” (1998);
Herausgeberin der Reihen „Jüdische Bibliothek” und „Exil – Dokumente”;
1991 – 1996 stellv. Vorsitzende der Internationalen Arnold-Zweig-Gesellschaft e.V.;
1996 – 2002 Vorsitzende der Internationalen Arnold-Zweig-Gesellschaft e.V.;
Seit 2006 Mitglied des P.E.N. Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland;
Herausgeberin einer Ausgabe der Werke des Theaterkritikers Hermann Sinsheimer (Bd. 1 2013, Bd. 2 2017);
Herausgeberin der Bände IV (2009), V und VI (2013) der Edition der Werke Alfred Kerrs im Verlag S. Fischer; „Alfred Kerr – Die Biographie”, 720 Seiten, erschien im Herbst 2016 bei Rowohlt;
Herausgeberin von “Alfred Kerr – Berlin wird Berlin – Briefe aus der Reichshauptstadt 1897-1922“ in vier Bänden (Band 1: 1897-1902 / Band 2: 1903-1909 / Band 3: 1910-1916 / Band 4: 1917-1922), erschienen 2021 beim Wallstein Verlag.
Günther Rühle
Vorsitzender bis Dezember 2021 / Präsident des Stiftungsrates bis Mai 2017
Die Alfred-Kerr-Stiftung verneigt sich in Dankbarkeit und Trauer vor ihrem langjährigen Präsidenten.
Sein Lebenswerk als MENSCH DES THEATERS, als Theater-Versteher, Erklärer und Entdecker auch verlorengeglaubter Texte von Alfred Kerr, seine geistige und mitmenschliche Großzügigkeit haben das Wirken der Alfred-Kerr-Stiftung über 25 Jahre geprägt und beflügelt.
Wir haben einen Freund verloren.
“Imaginierte Hommage von Alfred Kerr zu Rühles hundertstem Geburtstag“
Peter von Becker
Stellvertretender Vorsitzender
Peter von Becker, geboren 1947 in Mannheim, lebt als Kulturjournalist und Schriftstel- ler in Berlin. Nach Studium von Jura, Soziologie, Kunstgeschichte und Philosophie 1978 juristische Promotion an der Ludwig-Maximilian-Universität München über das Thema „Straftäter und Tatverdächtige in den Massenmedien“ (als Buchveröffentlichung 1979 im Nomos Verlag, Baden-Baden).
Ab 1971 essayistische und literarische Veröffentlichungen in deutschen und internationalen Tageszeitungen und Zeitschriften, Literaturkritiken für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung”, ab 1974 Theater-, Literatur- und Filmkritiker der „Süddeutschen Zeitung” sowie Autor der „Zeit”, des „Spiegel” und von „Theater heute”, dazu zahlreiche Radio- und Fernsehbeiträge, ein Dokumentarfilm über Leben und Werk von George Tabori u.a.m.
Im Jahr 1980/81 Dramaturg am Schauspiel Frankfurt, danach verantwortlicher Redakteur und Mitherausgeber der Zeitschrift „Theater heute”. Ab 1980 Lehrtätigkeit für Dramaturgie und Theatergeschichte an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a. M., Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste, langjähriges Jurymitglied des Mülheimer Dramatikerpreises, von 1984-88 und 1991-95 in der Jury des Berliner Theatertreffens, von 1991-95 Jury-Mitglied des Theaterpreises Berlin (Laudationes auf Bernhard Minetti, Claus Peymann und Hermann Beil); 1996-2000 im Direktorium des Forum du théâtre Européen.
Von Becker leitete von 1997-2005 die Kulturredaktion des Berliner „Tagesspiegel”, ist seit 1999 im Stiftungsrat der Alfred Kerr-Stiftung und seit 2003 Honorarprofessor der Universität der Künste Berlin.
Buchveröffentlichungen u.a.
„Georg Büchner: Dantons Tod – Die Trauerarbeit im Schönen” (Syndikat Verlag, Frankfurt/M. 1980, EVA, Hamburg 1985)
„Der überraschte Voyeur. Theater der Gegenwart” (Carl Hanser Verlag, München 1982)
„Die kopflose Medusa”, Gedichte (Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1989)
„Die andere Zeit”, Roman (Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1994)
„Wach auf und träume”, Theaterstück (S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 1997)
„Das Jahrhundert des Theaters” (DuMont Verlag, Köln 2002).
Autor der sechsteiligen Fernsehdokumentation “Das Jahrhundert des Theaters” (ZDF/3sat 2002).
Peter von Becker ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Ulrich Eckhardt
Ulrich Eckhardt, geboren 1934 in Westfalen, aufgewachsen in Freiburg/Breisgau; nach Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Freiburg und Münster 1. und 2. Staatsexamen (Assessor) sowie Promotion zum Dr. jur.; wissenschaftliche Arbeit in Münster (Universität) und Berlin (Bundesverwaltungsgericht); nach Studium der Musik (Klavier und Dirigieren) in Berlin am Städtischen (Sternschen) Konservatorium Kapellmeister und Korrepetitor an den Städtischen Bühnen in Münster; danach von 1968 bis 1972 Tätigkeit als Kulturreferent der Stadt Bonn (Beethovenfeste, Tage Neuer Musik, Bonner Sommer, Kinderforum, Lehrtätigkeit an der Universität Bonn u.v.a.);
1973 – 2000 Intendant und Geschäftsführer der Berliner Festspiele GmbH (Internationale Filmfestspiele Berlin, Theatertreffen Berlin, Berliner Festwochen, JazzFest, Theatertreffen der Jugend, Treffen Junge Musikszene, Treffen Junger Autoren, Musik-Biennale sowie kulturhistorische Ausstellungen, ehemals Horizonte-Festival der Weltkulturen und Sommerfestspiele);
im Jahre 1981 verantwortlich für die Preußen-Ausstellung;
von 1984 bis 1987 Beauftragter des Senats von Berlin für die 750-Jahr-Feier der Stadt im Jahre 1987 (Berlin-Ausstellung, Stadtfest u.v.a. sowie Gesamtleitung), 1994/95 für die Veranstaltungen zum 8. Mai 1945 sowie ab 1995 für die Ausstellungen und Veranstaltungen zur Jahrhundertwende 1999/ 2000.
Nach dem Abschied von der Intendanz der Berliner Festspiele Professur an der Hochschule für Musik Hanns Eisler“, Gutachter und Berater für die Bewerbung der Region Dessau-Wittenberg als Europäische Kulturstadt 2010.
1989/90 kommissarischer Intendant des Berliner Philharmonischen Orchesters, Mitglied im Beirat der Jüdischen Kulturtage,
im Beirat für Städtepartnerschaften, im Stiftungsrat „Topographie des Terrors”, im Kuratorium des Moses-Mendelssohn-Zentrums Potsdam, Vorsitzender des Fördervereins für die Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci.
Besondere Arbeitsschwerpunkte
Darstellungen zur Kulturgeschichte Berlins (Jahrhundertwende, 20er Jahre, Nachkriegszeit), Kunst in der ehemaligen DDR, Kulturaustausch mit den mittel- und osteuropäischen Ländern sowie mit Israel, Vermittlung außereuropäischer Kulturen.
Ausstellungen (Auswahl)
„SoHo-Downtown Manhattan” 1976
„Für Augen und Ohren” 1980
„Preußen – Versuch einer Bilanz” 1981
„Mythen der Neuen Welt” 1982
„Sieg über die Sonne” 1983
„Schätze aus der verbotenen Stadt/Palastmuseum Peking” 1985
„Europa und die Kaiser von China” 1985
„Berlin – Berlin” 1987
„Topographie des Terrors” 1987
„Zeitvergleich” 1988
„Europa und der Orient” 1989
„Video-Skulptur” 1989
„Berliner Ring” 1990
„Jüdische Lebenswelten” 1992
„Japan und Europa” 1993
„Berlin-Moskau / Moskau-Berlin” 1995
„Marianne und Germania” 1996
„DeutschlandBilder” 1997
„Sieben Hügel – Bilder und Zeichen des 21. Jahrhunderts” 2000
Veröffentlichungen (Auswahl)
„Jüdische Orte”
„Moses-Mendelssohn-Pfad”
„Berliner Ring”
Torsten Maß
Vorstand
Torsten Maß, geboren 1951 in Dinkelsbühl (Bayern)
Studium der Romanistik und Germanistik an der FU Berlin
1978 – 2000 Mitglied der Leitung der „Berliner Festspiele“ (Internationale Sommerfestspiele, Berliner Festwochen, Berliner Theatertreffen, Berliner Lektionen), Veranstaltungsleiter der „750-Jahr-Feier der Stadt Berlin (West)“;
Kurator des Festivals „Theater der Welt 2008“ in Halle/Saale;
Gründer und Vorstand der „Alfred-Kerr-Stiftung“;
2002 – 2016 Leiter der Allgemeinen Projektförderung der „Kulturstiftung des Bundes“ in Halle/Saale.
Gründer und Vorstand der „Von-Brochowski-Süd-Nord-Stiftung“. Die Stiftung vergibt seit 2017 einen Förderpreis an junge Künstler aus afrikanischen Ländern – ohne Sparteneinschränkung.
Peter Böhme
Stellvertretender Vorstand
Peter Böhme, geboren 1941
War mehr als dreißig Jahre Chef des Protokolls und des Kartenbüros der Berliner Festspiele. Adrienne Goehler, bis April 2006 Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds, würdigte ihn zum Abschied vom Dienst im logistischen Hirn der Festspiele als einen „geräuschlosen Zeremonienmeister, als einen Sitz- und Bedeutungsarrangeur, der sowohl im Blick hat, wer wen nicht leiden kann, als auch, wer wen kennen lernen sollte.“ Peter Böhme, so heißt es in den Abschiedsworten Adrienne Goehlers weiter, war „ein leiser Mann, ein umsichtiger und entschiedener, einer, der sich beharrlich dem allgemeinen Trend zum Outsourcing widersetzt hat und alternative Strukturen aufbaute, um auf immer neue Veränderungen vorbereitet zu sein, stets an Größe und Würde anknüpfend.“
Einen völligen Abschied von den Festspielen aber wird Peter Böhme glücklicherweise nicht vollziehen. Er, jahrzehntelang die „graue Eminenz, der Wirkmächtige im Hintergrund“ besitzt eine lebenslängliche Dauerkarte für alle Veranstaltungen